Die letzten Zeugen - Das Buc

PETER WEISS


 
 

PETER WEISS

(früher Peter Weiss)
geb. 1925-12-08
lebt heute in den USA


Diese Geschichte wurde im Projekt "Botschafter" erstellt.

  • Hanja Dämon, 19, Studentin der Universität Wien, begegnete als Botschafterin der Erinnerung in New York dem
  • Überlebenden Peter Weiss, 81, der aus Wien vertrieben wurde

Peter und seine 104-jährige Mutter


Peter Weiss wurde am 8. Dezember 1925 in Wien geboren. Zusammen mit seinen Eltern wuchs er die ersten Jahre in der Nähe des Praters auf, als er sechs war übersiedelte die Familie nach Hietzing in die Eitelbergergasse 20 A. Peter ging dort in die Volkschule Hietzing.
Wenn er gute Noten nach Hause brachte wurde er am Ende des Semesters mit Eiscreme belohnt.

Nach der Volksschule besuchte er das Humanistische Gymnasium in der Fichtnergasse. Einmal in der Woche hatte er zusammen mit den anderen Schülern jüdischen Religionsunterricht. Der Lehrer verlangte von den Kindern, am Sabbat in die Synagoge zu gehen. Als Bestätigung mussten sie Kärtchen, die beim Gottesdienst verteilt wurden, in der nächsten Stunde vorweisen. Da Peter direkt neben der Synagoge wohnte, die er mit seinem Vater prinzipiell nur an hohen Feiertagen wie Rosh Hashanah und Yom Kippur besuchte, kam ihm die Aufgabe zu, für sich selbst und seine Mitschüler besag te Karten zu stibitzen. Da er nicht immer genügend für alle besorgen konnte, trennte er die Hinterseite von der Vorderseite

und verdoppelte somit seine Ausbeute.
Als der Lehrer diesen Trick durchschaute, bestrafte er alle Schüler und Peter im Besonderen.

Kurz nach dem Anschluss mussten die jüdischen Schüler in den Klassenräumen ganz hinten sitzen, dann wurden sie in eine andere Schule transferiert. Die nichtjüdischen Schulkollegen und Lehrer taten und sagten nichts, um diese Ereignisse zu verhindern oder zumindest Anteilnahme an diesem Schicksal zu zeigen.
Peter meint, er und seine jüdischen Mitschüler wären damals zu jung gewesen, um sich der Hässlichkeit dieser Vorgänge wirklich bewusst zu werden.

Laut Peter traf vor allem seinen Großvater der Anschluss schwer: Er hatte sich immer durchwegs als Wiener gefühlt, und nun grüßten ihn die Nachbarn nicht mehr und wechselten sogar die Straßenseite wenn sie ihm begegneten. Sein Großvater hatte sich im Kleiderhandel hochgearbeitet. Er besaß ein gut gehendes Geschäft namens „Kleiderhahn“, mit einer Filiale auf dem Sparkassaplatz und einer zweiten in der Mariahilferstraße, die ihm nach dem Anschluss weggenommen wurden.

Die Familie emigrierte vorerst in die Slowakei. Die Slowakei war das erste Ziel gewesen, da sein Vater slowakischer Staatsbürger war, obwohl er schon von klein auf in Wien lebte. Dort verbrachten sie einige Zeit, bevor sie nach Frankreich flohen. 1941 ging es dann weiter in die USA.

Peter Weiss setzte in New York die Schule fort, studierte Jus und wurde Rechtsanwalt. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Menschenrechtsfragen („Human Rights“) Heute ist er immer noch in diesem Beruf tätig.

Ich hatte zwei Jahre mit Peter Weiss Briefkontakt, bevor ich durch die New York- Reise die Möglichkeit bekam, ihn persönlich kennen zu lernen.
Als ich ihn fragte, ob er denn auch tatsächlich Zeit hätte sich mit mir zu treffen wenn ich käme, antwortete er, dass er sich selbstverständlich über meinen Besuch freue, aber auch sehr im Stress sei, da er und seine Frau gerade in eine andere Wohnung übersiedelten.

Seine Frau, sie heißt Cora und ist Friedensaktivistin, hatte ich übrigens bereits in Wien kennen gelernt und zu einem Bertha von Suttner Kongress begleitet, wo sie einen Vortrag hielt.
Nach den vielen E-Mails, die ich mit Peter Weiss ausgetauscht hatte, und einem einzigen flüchtigen Telefonat war ich natürlich gespannt darauf, ihn persönlich kennen zu lernen.

Das erste Treffen fand im Museum of Jewish Heritage in Manhattan statt. Ich war davor recht nervös, weil ich nicht wusste, was mich erwarten würde. Bevor die Veranstaltung, begann, machten wir Bekanntschaft und setzten uns zusammen. Eine der ersten Dinge, die er mir mitteilte, betraf seine 104 Jahre alte Mutter: Er sagte mir, dass es schlechte Nachrichten gebe:
Zu meinem großen Bedauern erfuhr ich, dass sie wenige Tage zuvor gestürzt und das Bein gebrochen hatte und nun im Krankenhaus sei. Ich war enttäuscht, denn ich hatte mich schon so gefreut, sie zu treffen. Denn die Chance, eine 104-jährige Frau zu treffen, hat man nun mal nicht alle Tage.

Da begann auch schon die Veranstaltung. Ich hatte im Namen aller Schüler eine kurze Rede vorbereitet und sprach über meine bisherigen Erfahrungen als Teilnehmerin des Projekts „A Letter to the Stars“. Dann kam Peter an die Reihe, und hielt eine wunderbare Rede, teils auf Deutsch und teils in Englisch. Unter anderem erwähnte er, wie ihn der Titel des Projekts zu Beginn etwas verwundert hatte und er erzählte dem Publikum Teile seiner persönlichen Geschichte, die mir natürlich schon aus den Briefen bekannt waren.
Danach war ein Essen in einem Restaurant geplant. Gerade als wir das Museum verließen klingelte Peters Handy: Es war seine Frau, die ihm berichtete, dass es der Mutter im Augenblick sehr schlecht ginge.
Ich sagte ihm natürlich, dass er sich nicht verpflichtet fühlen müsse, mit mir jetzt etwas zu unternehmen, aber er entschied sich doch für ein schnelles Essen.

Ich hatte an diesem Tag das „Paket der Erinnerung“, welches ich für ihn zusammengestellt hatte (bestehend aus Mannerschnitten, Wiener Zuckerln, einer CD und Fotos) nicht mit, da ich damit gerechnet hatte ihn noch ein weiteres Mal zu sehen. Wir machten uns also aus, dass ich es in seine Wohnung vorbeibringen würde. Als ich ihn dann zur Übergabe des Pakets dann nochmals traf, teilte er mir mit, dass seine Mutter in ein Heim ganz in der Nähe meiner Jugendherberge transferiert worden war, und ich sie eventuell besuchen könne.

Das klappte dann auch: Am Tag des Rückflugs nach Wien besuchte ich Peters Mutter Mrs. Paula Weiss im Krankenhaus. Es wurde ein sehr kurzer Besuch, aber es war dennoch sehr beeindruckend.
Sie saß auf einem Stuhl in eine Decke gehüllt und ich fand, dass sie mit ihrer zierlichen Figur, ihren großen dunklen Augen und der hochgesteckten Frisur aussah wie eine Großmutter aus einem Märchen und außerdem eine sehr schöne Frau war. Ich unterhielt mich eine Weile mit ihr, wir sprachen Deutsch miteinander. Sie sagte mir, dass sie sehr an Wien gehangen hatte. Sie sprach auch gleich ihre Enkelin, die ebenfalls da war, auf Deutsch an, diese antwortete ihr eindringlich auf Englisch, dass sie kein Deutsch spreche.
Dann kamen auch schon Krankenschwestern, die sie in ein anderes Zimmer verlegen wollten. Das war für mich, nach einer ausführlichen und langen Verabschiedung, der Zeitpunkt zu gehen. Das Treffen hatte mich sehr berührt, und ich bin unendlich froh, dass es trotz der Umstände zustande kommen konnte.

Im Juli werde ich Peter vielleicht wieder treffen, da er nach Österreich kommt. Dann werde ich auch hoffentlich seine Frau Cora wieder sehen, die ich in New York nämlich leider nicht zu Gesicht bekommen habe.

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