Die letzten Zeugen - Das Buc

OSWALD BOSKO


 
 

OSWALD BOSKO

wirkte in Polen, Krakau

Der Kellner, der Kinder aus dem Ghetto schmuggelte

Oswald Bosko, Polizist im Krakauer Ghetto, verhalf einigen jüdischen Arbeitern und Familien zur Flucht. Besonders kümmerte er sich um die Rettung hunderter Kinder aus den Krakauer Ghettos. Als die Gestapo 1944 herausfand, dass er Juden geholfen hatte, wurde er im September des gleichen Jahres hingerichtet.


Einige Tage vor der Liquidierung des Ghettos von Krakau am 13. März 1943 beschlossen die Nazis, alle jüdischen Kinder aus dem Ghetto zu deportieren und zu ermorden. Der Kellner Oswald Bosko aus Wien war als Feldwebel der deutschen Polizei im Ghetto von Krakau eingesetzt.

Oswald Bosko hatte sich mit dem Inhaber der Nähwerkstätte in der nahen Umgebung des Ghettos, Julius Madritsch, angefreundet und half ihm bei der Rettung jüdischer Ghettobewohner.

Madritsch beschloss, die Kinder in seine Näherei in Podgorze zu retten. Mit Boskos Hilfe gelang es ihm, hunderte Kinder aus dem mit Stacheldraht umzäunten und von SS-Leuten umgebenen Ghetto zu evakuieren. Damit die Kinder nicht weinten und alle entdeckt würden, betäubte Madritsch die Kinder. Schlafend wurden sie im Ghetto in Säcke gesteckt. Oswald Bosko kontaktierte polnische Familien, die die Kinder für eine kurze Zeit in ihren Häusern in Krakau aufnehmen würden. Auch deutsche Soldaten halfen mit und brachten die Kinder nach Tarnow in Sicherheit.

Der Wiener Textilkaufmann Julius Madritsch wurde Anfang März 1940 zur Wehrmacht einberufen und kam Ende 1940 als Fachmann zur Textilhandelsgesellschaft in Krakau.

Mitte Dezember 1940 wurde Madritsch von der Abteilung für  Wirtschaft als Treuhandverwalter zweier jüdischer Konfektionsbetriebe in Krakau bestellt. In beiden Firmen, den sogenannten Nähereien Madritsch, waren Juden aus dem Ghetto Krakau und Polen als Angestellte tätig. Zwischen Madritsch und seinen jüdischen Angestellten aus Österreich entwickelte sich eine streng getarnte gute Zusammenarbeit. Raimund Titsch, 1897 in Wien geboren, arbeitete bis zum Jahr 1940 als Techniker in einer Metallwarenfabrik. In diesem Jahr nahm er das Angebot an, in das Textilwerk von Julius Madritsch nach Krakau zu wechseln. Titsch wurde die rechte Hand des Treuhänders Madritsch, stand ihm stets bei und unterstützte ihn als Freund und Helfer bei der Rettung vieler Juden. Während Madritsch sich hauptsächlich um Verbindungen zu den deutschen Behörden kümmerte, leitete Titsch die Werkstätte. Titsch stellte so viele jüdische Ghettobewohner wie möglich ein. sogar solche, die nichts von dieser Arbeit verstanden, nur um sie vor der Deportation in die Vernichtungslager zu retten.

Titsch zeigte besondere Anteilnahme an den jüdischen Arbeitern. Da diese nur in anerkannten Rüstungsbetrieben arbeiten durften, sorgten Madritsch und Titsch dafür, eine große Anzahl von Nähmaschinen herbeizuschaffen, um als Rüstungsbetrieb qualifiziert zu werden und jüdische Ghettobewohner einstellen zu können. Titsch errichtete eine große Küche im Nähwerk, in der warme Speisen für die Arbeiter zubereitet wurden.

Madritsch gelang es, seine beiden Betriebe als kriegswichtig erklären zu lassen und damit etwa 4000 jüdische Arbeiter aus dem Ghetto und anderen Teilen Polens zu beschäftigen. Er bemühte sich um größere Lohnaufträge, um beide Firmen in Schwung zu bringen. Er nahm Kontakt mit der jüdischen Untergrundbewegung im Ghetto auf, um möglichst viele jüdische Fachkräfte zugewiesen zu bekommen. Die Näherei Madritsch befand sich außerhalb des Ghettos in einem großen Gebäude auf dem Podgorski Platz. Madritsch ermöglichte, in der Fabrik jüdische Ghettoinsassen mit christlichen polnischen Bekannten aus Krakau zusammen zu bringen, die ihnen halfen, Nahrungsmittel, Zeitungen, Zigaretten und Nachrichten zu bekommen.

Als sich die Lage im Ghetto verschlechterte und Gefahr drohte, dass sämtliche Insassen deportiert würden, drängte die jüdische Untergrundbewegung Madritsch, zwei weitere Betriebe in Bochnia und Tarnow zu öffnen. Hier beschäftigte Madritsch 1000 - 1500 Arbeiter aus dem Ghetto und rettete damit ihr Leben bis zur Schließung des Ghettos.

Als das Ghetto am 13. März 1943 geschlossen wurde und seine Bewohner ins Lager Plaszow kamen, konnten Madritsch und Titsch eine Nähwerkstätte in fünf Baracken des Lagers errichten. Dort beschäftigten sie viele Juden und bewahrten sie vor der Deportation. Außer dem Nähwerk von Madritsch gab es im Lager Plaszow noch eine Nähwerkstätte, in der etwa tausend Arbeiter beschäftigt waren. Die Arbeiter dieser Abteilung hatte jedoch oft nicht genügend Arbeit, da es an Bestellungen wie auch an Rohstoffen mangelte. Madritsch und Titsch sorgten für Bestellungen, so dass auch diese Juden Beschäftigung hatten und ihnen nicht die Gefahr drohte, als "Untaugliche" zur Vernichtung geschickt zu werden.

Die Lagerinsassen litten an Hunger und wandten sich an Madritsch und Titsch um Hilfe. Der SS-Lagerkommandanten Amon Göth liess sich bestechen und so konnten sie jeden Arbeiter mit Brot versorgen. Unter Lebensgefahr Titsch informierte regelmäßig die Untergrundbewegung im Lager über Nachrichten aus dem englischen Radio. Die Nachrichten gingen im Lager von Ohr zu Ohr. Sie munterten alle auf und gaben den von der Außenwelt abgeschlossenen Häftlingen Mut und Hoffnung. Titsch sammelte Fotografien von den Geschehnissen im Lager Plaszow. Nach dem Krieg gab er sie an die Überlebenden weiter. Die Fotos zeigten, wie der Kommandant Göth seinen Hund auf Gefangene hetzte, die harte Arbeit, die die Gefangenen leisten mussten, und die Brotverteilung durch Madritsch. Titsch versuchte mehrfach, Häftlinge vor der Misshandlung durch den Kommandanten Göth zu schützen.

Nach der Liquidierung des Ghettos blieben hunderte jüdische Familien in Kellern und Bunkern versteckt. Oswald Bosko suchte nach jenen Familien. Madritsch gab seine Zustimmung zu ihrer Überführung in die Keller seiner Näherei. Die Juden wurden in der Nacht durch Lücken im Stacheldrahtzaun und an Posten der SS vorbei zum Nähwerk von Madritsch gebracht. Später organisierte Bosko eine große Rettungsaktion. Sie dauerte mehrere Tage. Viele Ghettobewohner mussten ihr Vermögen vor dem Einzug in das Ghetto bei polnischen Bekannten in Krakau zurücklassen. Titsch stellte Kontakte mit diesen Polen her und brachte Pakete mit Nahrungsmittel, Kleidung und Geld ins Ghetto. Titsch begleitete eine Gruppe von 230 jüdischen Arbeitern von Krakau nach Tarnow und Bochnia, wo Madritsch ein zweites Nähwerk besaß. Manche konnten später nach Ungarn und in die Slowakei fliehen.

Madritsch erlangte durch Bestechung deutscher Dienststellen die Erlaubnis, seinen Arbeitern Leistungsprämien in Form von Lebensmitteln zu geben. Mit diesen fuhr er jede Woche ins Lager und brachte 6000 Laib Brot, Marmelade und Zigaretten für die Bedürftigen. In einigen Fällen ließ er Lagerinsassen, die mit ihm arbeiteten und vom Lagerkommando gesucht wurden, in seiner Näherei untertauchen und verhalf ihnen zu Flucht.

Am 1. September 1943 wurde die Außenarbeit der Lagerinsassen unterbrochen und das Lager hermetisch geschlossen. Am selben Tag wurden noch auf Initiative von Madritsch hunderte Arbeiter nach Tarnow überführt. Madritsch gelang es Dank seiner persönlichen Kontakte mit dem Lagerkommandanten Göth und mit Bestechung, als einziger Privatunternehmer eine Bewilligung zu bekommen, in fünf Baracken des Lagers Werkstätten zu errichten, in denen er hunderte jüdische Arbeiter beschäftigte und sie mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgte. Als die Hungersnot im Lager Überhand nahm, finanzierte Madritsch eine Lebensmittelversorgung aus dem Verkauf von Stoffresten, die beim Zuschneiden eingespart wurden.

1944 näherte sich die sowjetische Armee vom Osten her nach Westgalizien. Der Befehl wurde erteilt, das Lager von Plaszow aufzulösen. Am 6. August 1944 begann die Räumung von 10.000 Insassen des Lagers. Ein Drittel von ihnen, darunter Tausend Arbeiter der Betriebe von Madritsch, wurde in Lager wie Auschwitz, Stutthof, Mauthausen und Gusen deportiert. Die meisten überlebten nicht.

Als die Gestapo Boskos Rettungsaktionen entdeckte, versuchte er zu fliehen. Bosko wurde verhaftet, als Verräter angeklagt, zum Tode verurteilt und am 18. September 1944 erschossen.

Madritsch gelang es, 500 Arbeiter seiner Betriebe unter dem Vorwand von Aufräumungsarbeiten bis zum 5. Oktober im Lager zu halten. Als auch diese nach Groß-Rosen geschickt wurden, setzte sich Madritsch dafür ein, dass 100 von ihnen in die Liste Oskar Schindlers aufgenommen werden und in seine Fabrik in Brünitz überführt werden.

Am 3. November 1944 wurde Madritsch von dem SD in Krakau verhaftet und nach Berlin gebracht. Er wurde beschuldigt, Gräuelmärchen über die Zustände im KZ-Lager Plaszow verbreitet zu haben. Mit Hilfe seiner Verbindungen gelang es ihm, nach 12 Tagen aus der Einzelhaft entlassen zu werden. Nach seiner Rückkehr nach Österreich nahm er Verbindungen mit seinen ehemaligen Schützlingen auf, denen er das Leben gerettet hatte. In Israel wurde sogar ein "Klub der Madritscher" gebildet.

Quelle: Meisels (1996) „Die Gerechten Österreichs“
Siehe auch Gutman et al. (2005) „Lexikon der Gerechten unter den Völkern: Deutsche und Österreicher“

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