Eine Wette über sein Alter hat Julian Scott, wie er selbst sagt, noch nie verloren. Bis gestern. Dass ich mit 94 Jahren eine Punktlandung hinlege, kann derwie ein rüstiger Mitt-Siebziger aussehende Mann kaum glauben. Zu Recht. Ich kenne sein Alter. Julian Scott ist nämlich jener Überlebende, dessen Lebensgeschichte ich in den nächsten drei Stunden protokollieren werde. Als ich ihn über meinen kleinen Schwindel aufkläre, ist er beruhigt. Bei Wetten zu verlieren,ist er schließlich nicht gewöhnt. Dafür hat er Übung im Erzählen. Ich bin nicht der erste, dem Julian Scott von den dunkelsten und schrecklichsten Jahren seines Lebens erzählt. Wie er vor den Nazis fliehen und sich in England ein neues Leben aufbauen konnte. Während seine Eltern und die meisten anderen seiner Verwandten der Vernichtungsmaschinerie der Nazis zum Opfer fielen. Er erzählt mit fester Stimmer, wirkt sehr gefasst. Nur ab und zu zuckt er kurz zusammen. Mir ist es unangenehm, nachzubohren. Etwa wo und wie seine Eltern ermordet wurden. Und dennoch muss ich es tun. Mr. Scott nimmt's mir nicht übel. Er erzählt, ich höre zu. Und muss dabei um einiges öfter schlucken, als er selbst. Emotionaler Höhepunkt ist die Übergabe der Fotos mit den Namen seiner ermordeten Eltern. Weder er, noch ich bringen etwas über Lippen, sondern starren stumm auf die Fotos. Schließlich bricht Mr. Scott das Schweigen. Er will wetten. Diesmal habe ich allerdings schlechte Karten. Er will wissen, wie viele Jahre ich ihm noch gebe. Ich schüttle den Kopf. Er lächelt nur. |