Sie sieht zwar deutlich jünger aus, als 85, ein Kind ist sie aber nun wirklich nicht mehr. Und dennoch wird die gebürtige Münchnerin Berta Leverthon immerein Kind bleiben. Ein Kindertransport-Kind. Eines von den rund 10.000 jüdischen Kindern aus Deutschland und Österreich, die 1938/39 in letzter Minute nach England fliehen konnten. Für die meisten ihrer zurückgebliebenen Eltern gab es jedoch keine Rettung vor den Nazi-Schergen. "Wo waren eure Großeltern damals, warum haben Sie uns nicht geholfen?". Eine Frage, die niemand von uns beantworten kann. Auch Berta Leverthon selbst findet keine Erklärung. Eines weiß sie aber: "Die, die damals weggeschaut haben, haben genauso viel Schuld wie die Täter." Als Racheengel spricht Leverthon, dasaufgrund ihrer Oscar-gekrönten Lebensgeschichte wohl berühmteste Kindertransport-Kind, aber nicht zu uns. Sie will ihre und die Lebensgeschichten anderer Kindertransport-Kinder erzählen. Immer und immer wieder. Denn: "Antisemitismus ist eine gefährliche Krankheit, von der man sich nicht anstecken lassen darf." Ein Satz, den man wohl nicht oft genug aussprechen kann. Ausgesprochen freundlich aufgenommen werden wir am Abend in der Synagoge am Belsize Square. Die dortige jüdische Gemnschaft hat uns eingeladen, einer Shabbath-Feier beizuwohnen. Eine Erfahrung, die man nicht alle Tage macht. Mit einer katholischen Messe hat der "jüdische Sonntag" nämlich nur wenig gemein. Der auffälligste Unterschied, neben dem Hebräischen: Die meiste Zeit wird gesungen. Und das mit voller Begeisterung. Das merkt man vor allem der jungen Mutterin der ersten Reihe an. In der einen Hand das Gebetsbuch mit den Liedtexten, hält sie auf ihrem anderen Arm ihr Baby. Es muss ein Junge sein. Wie der Kopfaller Männer ist auch seiner mit einer kleinen Kappe bedeckt. So auch meiner. |