Liste der Ermordeten


Folgende Informationen sind von Anna Garfunkel verfügbar:

geboren am 30.06.1889 in
letzte bekannte Wohnadresse
andere Wohnadresse(n)
Deportation von Wien nach Maly Trostinec am 09.06.1942
gestorben in Maly Trostinec am 15.06.1942
Die Recherche wurde von Alexia, 14 Jahre, BG Völkermarkt, übernommen.

Die Lebensgeschichte und wie die Recherche verlaufen ist:

Der Brief an den/die Ermordete/n :



Hallo Frau Professor!
Hier ist mein Brief an meinen Engel!
Liebe grüße
Alexia Kulterer





Liebe Anna,
Mein Name ist Alexia Kulterer und ich schreibe dir, weil ich möchte, dass du
nicht in Vergessenheit geraten wirst.
Ich habe viel über dich, deine Familie und dein Leben recherchiert. Leider
habe ich von dir selber nicht so viele Daten gefunden.
Ich weiß, dass du am 30.06.1889 geboren wurdest. Das sind genau 100 Jahre
vor meinem Geburtstag. Bis zu dem Tag, als du deportiert würdest wohntest du in
Wien, Schiffgasse 2. Man vermutet das du eine Schwester namens Taube
hattest, die auch dort wohnte und mit dem gleichen Zug wie du nach Minsk
in Weißrussland, einem der vielen Deportationsorten gebracht wurdest. Du
warst ein unschuldiges Opfer des Nationalsozialismus, leider. Viele Fragen
schwirren nun in meinem Kopf herum. Ob du etwa Kinder hattest und dein Wohnort
schön und gemütlich war!? Wie war dein Leben wohl? Musstest du viel leiden?
Viele, viele Fragen würde ich dir gerne stellen, doch wenn ich darüber
nachdenke lässt es mich traurig werden. Du kannst mir niemals antworten!


Mit genau 52 Jahren musstest du am Wiener Aspangbahnhof in einen Zug,
vollgefüllt mit 1000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern steigen und stundenlang
warten auf das Geschehen danach. Ich bin mir sicher, dass dich das
Ungewissen, das nicht Wissen was wohl passieren würde, sehr quälte.
Zu dieser Zeit, zwischen Mai und Oktober 1942, trafen 16 Züge mit mehr als
15.000 Menschen aus Wien, Königsberg, Theresienstadt und Köln in Minsk ein.
Man wollte eine möglichst „kurzfristige und reibungslose“
Vernichtung dieser Menschen gewährleisten und so hatte man umfangreiche
organisatorische Vorbereitungen getroffen. Als Exekutionsstätte wurde ein
Kiefernwäldchen mit einigen Kilometern Entfernung vom Gut Maly Trostinec, und
wiederum 15
Kilometer südöstlich von Minsk, einer ehemaligen Kolchose die im April 1942
von der Dienststelle des Kds in eigener Bewirtschaftung übernommen worden war,
ausgewählt. Als erste Maßnahme wurden dann ausreichend große Gruben
ausgehoben. Die Größe der Gruben reichte bis zu drei Meter Tiefe und 50 Meter Länge.
Nach der Ankunft der Züge auf dem Güterbahnhof in Minsk sorgte eine Gruppe
der Dienststelle des Kds für die Ausladung der neu eingetroffenen Menschen.
Sie wurden zu einer Art Sammelplatz getrieben, wo man ihnen alle Geld- und
Wertsachen abnahm. Von dort aus wurden die vielen Menschen zu den nahen Gruben
gebracht.
Die Deportierten der ersten Transporte wurden an den Gruben erschossen.
Dazu waren an den einzelnen Gruben bis zu 20 Schützen. Etwa ab Anfang Juni 1942
wurden auch „Gaswagen“ eingesetzt. Im Falle des Einsatzes der
„Gaswagen“ wurden die Opfer bereits am Gelände des Güterbahnhofes
in die Wagen gepfercht und zu dem Gruben gebracht. Dort wurden dann die
Abgasschläuche angeschlossen und das Gas ins Innere der Wagen geleitet.
Jedoch wurden diese „Gaswagen“ nicht oft eingesetzt. Bedingt
wegen technische Probleme und häufigen Defekten, wie auch wegen der
erforderlichen arbeitsaufwendigen Reinigung nach jedem Mordeinsatz.

Es sind 17 der deportierten nach Maly Trostinec bekannt, was für mich eine
erschreckende Zahl ist. Wie kann man nur so viele unschuldige Menschen
umbringen? Ich muss oft daran denken, warum das Leben damals für all diese Menschen
so schrecklich war. Jeder hat Recht auf ein schönes Leben. Leider durften das
viele Menschen nicht haben.
Ich bin froh, nicht in dieser Zeit gelebt zu haben. Wir haben so ein schönes
Leben und viele sind trotzdem nicht zufrieden damit. Sie sollten über die
Zeit im Nationalsozialismus nachdenken. Ich bin mir sicher, dass sie dann die
Welt aus einem anderen Auge sehen würden.
Schrecklich ist auch die Tatsache, dass die Menschen damals alle mit Nummern
gekennzeichnet wurden. Stellt euch vor, zu uns wurde jemand sagen:
„Nummer 5 und 14, ihr werdet heute in Deutsch geprüft!“
Dabei würde sich wahrscheinlich keiner wohl fühlen.
Anna, ich muss oft an dich denken. Schade, dass ich nicht mehr über dich
weiß.
Liebend gerne und mit Freude hätte ich deine Antworten auf meine Fragen
gelesen oder gehört. Meine Uroma hat mir auch schon oft etwas über die Zeit, als
sie noch jung war erzählt. Es ist spannend, doch wie sich alles in 70 Jahren
verändert hat!?!?
Auch jetzt hat wieder der Krieg angefangen. In einer Zeit, in der man nicht
einmal mehr an den Krieg denken sollte. Ich dachte, dass Menschen sich ins
bessere entwickelt haben.....Leider sieht es nicht so danach aus.

Vielleicht kommen meine Gedanken irgendwann bei dir an.
Liebe Grüße,
Deine Alexia Kulterer

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Der Brief an die Zukunft (stieg am 5. Mai 2003 an einem Luftballon gebunden in den Himmel):

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