Liste der Ermordeten


Folgende Informationen sind von Julius Tüchler verfügbar:

geboren am 10.11.1890 in Weissenbach a.d. Triesting, NÖ
letzte bekannte Wohnadresse
andere Wohnadresse(n)
Deportation derzeit nicht bekannt- Deportationsdatum unbekannt -
gestorben in Dachau am 05.01.1939
Die Recherche wurde von Bettina, übernommen.

Die Lebensgeschichte und wie die Recherche verlaufen ist:

Julius Tüchler


geb. am 10.11.1890 in 2565 Weissenbach a.d. Triesting/NÖ
verhaftet am 13.11.1938
gest. am 5.1.1939 in Dachau
Urne beerdigt am 19.1.1939 am Wiener Zentralfriedhof
verh. mit Elsa

Töchter:

* Gertrude und
* Frederike, "Fritzi" Tüchler, verwitwete Sen Goupta
beide wohnhaft in England: Journey's End, Greenway, Halberton
Ich habe an Frederike geschrieben, leider jedoch keine Antwort erhalten (22.4.2003)

Eltern:

* Vater: Ignaz Tüchler, geb. am 24.9.1852 in Fahrafeld, Bez. Baden, NÖ, mosaisch, als Heimatgemeinde ist angegeben: Lackenbach / Ungarn. Im Heimatverbund von Weissenbach a.d. Triesting aufgenommen im Jahr 1901.
* Mutter: Maria Tüchler, geb. Harmin, geb. am 20.9.1853 in Bieske / Ungarn

Geschwister:

* Moritz, geb. am 6.7.1881
* Isidor, geb. am 7.4.1883
* Artur, geb. am 23.10.1884
* Friedrich, geb. am 1.7.1886
* Regina, geb. am 11.8.1888
* (Julius, geb. 10.11.1890)
* Oskar, geb. am 7.3.1893

Die gesamte Familie Tüchler war mosaischen Glaubens und wohnten in Weissenbach a.d. Triesting, Nr. 69 (1)

Der Vater Julius' Tüchlers, Ignaz Tüchler besaß das Grundstück Nr. 69 (Parzellen Nr. ) in Weissenbach a.d. Triesting wo er einen Gemischtwarenhandel betrieb. 1907 erhielt er von der Gemeinde die Bewilligung für eine Tankstelle, die er anschließend errichtete. Julius Tüchler übernahm 1929 das Geschäft seines Vaters (2).
Angeblich sind alle Unterlagen der Gemeinde, die es aus der Zeit zwischen 1938-1945 gab, verbrannt bzw. vernichtet worden. Erst 1955 gibt es wieder einen Eintrag im Grundstücksverzeichnis, wonach die beiden Töchter, Gertrude und Frederike Tüchler je zur Hälfte das Grundstück von Reichsfinanzstadthalter erhielten. Neben dem Eintrag befindet sich ein Vermerk "Sammelstelle A und Sammelstelle B". Die Sammelstelle hat Rückstellungsfälle verwaltet, bei denen keine Erben innerhalb der Fristen ein Ansuchen um Rückstellung gestellt haben.

Lt. Aussagen von Zeitzeugen (3) war Julius Tüchler im Ort sehr beliebt und zuvorkommend. Er hat in den schweren Zeiten die Leute "aufschreiben" lassen. Das nutzten manche aus, indem sie meinten, ihre Schulden nicht zurückzahlen zu müssen. Angeblich wurden die Schulden jedoch nach dem Krieg eingefordert. Er war Mitglied des Männergesangvereines (MGV Weissenbach).

Julius Tüchler wurde am 13.11.1938 im Zuge des Novemberpogroms von der SS verhaftet:

Das Warenlager wurde einige Tage später vom Finanzamt Baden wegen Steuerschulden gepfändet. Tüchler wurde am 13.11.1938 vom Polizeiamte Baden festgenommen und dem KZ überstellt, wo er, wie bereits angeführt, gestorben ist. An Vermögen ist noch das Haus Weissenbach a.d. Triesting Nr. 69 mit einem Bauwerte von RM 20.000,- vorhanden. Dieses Haus soll jedoch stark belastet sein." (4)


Tüchler starb nicht einmal drei Monate später, am 5.1.1939 im Konzentrationslager Dachau. Eine Zeitzeugin (5) erzählte, dass als Todesursache "auf der Flucht erschossen" angegeben wurde. In den Dokumenten vom Konzentrationslager Dachau gibt es keine Unterlagen über ihn (6). Seine Urne wurde am 19.1.1939 am Zentralfriedhof in Wien begraben.

Seine beiden Töchter leben noch heute in England. Informationen darüber und über die Verhaftung von Julius Tüchler erhielt ich von einer Zeitzeugin:

Sie sah, wie SS-Leute – Weissenbacher Bürger – die Wohnung der Familie Tüchler stürmten und deren Hab und Gut vom ersten Stock auf die Straße warfen. Matratzen, Spielzeug, Möbel, einfach die komplette Einrichtung. Es war soviel Hass in ihnen. Sie zerstörten so gut wie alles. Wertgegenstände nahmen sie, trotz des Plünderungsverbotes, mit. Julius Tüchler wurde verhaftet, der Rest der Familie, also seine Frau und seine beiden Töchter konnten noch bleiben. Lt. Aussage waren die SS-Leute diejenigen, die am meisten Schulden beim Hrn. Tüchler hatten. Er war gutgläubig und hat in den schlimmsten Zeiten aufschreiben lassen. Wochen später flüchteten die beiden Töchter zu einem Schwager ihrer Mutter nach England. Bald darauf folgte auch Elsa, die Frau. Sie überlebten alle den Krieg..

Nach dem Krieg hätte die Ehegattin von Julius, Elsa das Haus wieder in Besitz nehmen können, doch sie lehnte das ab. Sie und ihre Töchter wollten nie wieder etwas mit Weissenbach zu tun haben.


Die SS-Leute, die an den Verbrechen an der Familie Tüchler beteiligt waren, starben während des Krieges. Kein einziger von ihnen überlebte.

50 Jahre nach dem Krieg kam Frau Frederike doch wieder auf einen Kurzbesuch nach Weissenbach und besuchte Frau Gruber Anna (eine Zeitzeugin, die mir erzählte, was damals geschah) und hat somit ihre Heimat noch einmal besucht.


Ich selbst habe seither Brief-Kontakt zu Frederike in England.

(1) aus dem Grundstücksverzeichnis der Gemeinde Weissenbach a.d. Triesting

(2) aus dem Parzellenprotokoll der Gemeinde Weissenbach a.d.

(3) Mutter von Gober Josef, dem Verwalter des Gemeindearchivs

(4) aus einem Brief von der GESTAPO an den Inspektor der Sicherheitspolizei Wien I, Herrengasse 7 geschrieben am 26.7.1939 B.Nr.S II G-855/39-80. Quelle: Dokumentationsarchiv des Österr. Widerstandes, Akt Nr. 19400/40

(5)Frau Gruber Anna, wohnhaft in Weissenbach a.d. Triesting, Freundin von Frederike, einer der beiden Töchter von Julius Tüchler

(6)KZ-Gedenkstätte Dachau, Alte Römerstr. 75, D-85221 Dachau, Tel. 0049-(0)8131-66997-112, Fax. 0049-(0)8131-2235, www.kz-gedenkstaette-dachau.de


Bettina Karena Lechner

Der Brief an den/die Ermordete/n :

Der Brief an die Zukunft (stieg am 5. Mai 2003 an einem Luftballon gebunden in den Himmel):

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