Die letzten Zeugen - Das Buc

JACK ALTBUSH


 
 
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Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.

»Danke Österreich, auf Wiedersehen«.

Wie Jake Bender, der Enkel von Jack Altbush, die Reise nach Österreich erlebt hat.

Mein Name ist Jake Bender. Ich bin das älteste der drei Enkelkinder meiner Großeltern. Ich habe meinen Großvater Jack Altbush auf seiner Reise nach Wien begleitet.

Während meines Aufenthalts in Österreich habe ich ein Tagebuch geführt, und dies ist der letzte Eintrag – ein Rückblick auf den gesamten Trip: Diese Zeilen zu schreiben, ist traurig. Es sind meine letzten, und ich wünschte, es wäre nicht so, aber alles geht zu Ende. Auf dieser Reise habe ich vieles gemacht, das die meisten Menschen nie werden machen können und das auch ich wahrscheinlich nicht wieder machen werde. Ich habe auch Menschen getroffen, die ich nie wieder sehen werde. Diese Reise war schön, aber auch schwierig. Ich musste über Dinge nachdenken, über die ich nicht nachdenken wollte: die Ermordung von Mitgliedern meiner Familie, die unschuldig getöteten Kinder, Hitler, Nazis und vieles mehr. Ich habe nicht nur an der Oberfläche gekratzt, ich bin tief eingedrungen. Diese Tiefe hat dazu geführt, dass ich die Vergangenheit meiner Familie sowie meine Herkunft nun besser verstehen kann.

Ich habe die guten und die schlechten Seiten gesehen, die es auf der Welt gibt. Die schlechten sind offensichtlich: Ich bin hierher gekommen, um mehr über den Holocaust zu erfahren. Die guten waren allgegenwärtig und wunderbar. Was »A Letter To The Stars« bei meinem Gr0oßvater ausgelöst hat, ist unglaublich. Er war so glücklich, dass er zu einem Projekt-Mitarbeiter gegangen ist und vor Freude geweint hat. Er war einfach überwältigt.

Sowohl die Mitarbeiter als auch die Schüler, die am Heldenplatz waren, kümmerten sich tatsächlich sehr um uns, es war sichtbar, dass sie wirklich interessiert und betroffen waren. Bei der Gedenkveranstaltung am Heldenplatz dachte ich, dass es unglaublich ist, dass hier, wo jetzt ich stand, Hitler gestanden hatte und ihm Hunderttausende Österreicher mit dem Hitlergruß zujubelten. Ich dachte, dass es wirklich unglaublich ist, dass heute, 70 Jahre danach, so viele Menschen der Ermordeten des NS-Regimes gedachten und die Überlebenden des Holocaust ehrten.

Die Reise hat mir auch vieles gezeigt, das ich nicht vergessen werde: verschiedene Sehenswürdigkeiten, die Berge, und vieles
mehr. Und sie gab mir auch die Möglichkeit, viele großartige Mehlspeisen und Desserts zu kosten. So sage ich danke, Österreich, auf Wiedersehen, goodnight.
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Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.

»Wir gehen mit neuer Hoffnung nach Hause!«

Das Tagebuch einer Reise: Jack Altbush über seine Erfahrungen in Österreich.

29. April 2008. Mein Enkel Jake und ich verbringen die Wartezeit mit unseren Gedanken. Diese Reise ist eigentlich eine Fahrt ins Blaue – wo führt sie hin, was erwartet uns?

30. April, früh morgens. Die jungen Frauen und Männer des »A Letter To The Stars«-Teams empfangen uns mit einer Liebe und Zärtlichkeit, so dass man sich wieder selbst erkennt. Wir sind wieder in Wien! Eine kurze Zeit später sind Jake und ich in der wunderbaren Schönbrunner Gartenanlage. Wir entdecken das Schloss und die Menschenmasse, der wir uns ein paar Tage später anschließen werden. Wir sind wirklich in Wien!

2. Mai. Meine Gefühle am Tag des Belvedere-Besuchs sind eine Berg- und Talfahrt: Mein Zwillingsbruder, Erich (dann Eric) und ich wohnten sehr nahe am Margaretengürtel und waren mit unserer Mutter und Freunden täglich beim Belvedere. Ich erkenne jeden Schritt, jede Ecke. Plötzlich bin ich wieder neun oder zehn Jahre alt. Später gehen Jake und ich den Gürtel entlang und finden, ohne Fehler, unseren Weg zur Blechturmgasse, unserem letzten Wohnplatz in Wien. Jake sieht mein ernstes und
trauriges Gesicht und geht wortlos mit. Langsam kommen die Lebenserfahrungen der Hitlerzeit völlig in den Kopf. Ich zeige ihm das Haus, den Balkon im 4. Stock, wo wir oft waren (genau so noch da), und dann um die Ecke den Draschepark, damals für uns ein riesengroßer Fußballplatz und eine Eislauffläche. Jetzt, natürlich, ein schöner Garten mit Kindern und Eltern. Jake hört sich alles an, stellt viele Fragen. Es ist sehr schwer und traurig. Um die Ecke geht es zum Rainergymnasium, damals Elisabeth-
gymnasium, wo mein Bruder und ich Schüler waren. Und vis-à-vis, an der Wiedner Hauptstraße, das Kleiderwarengeschäft meines Vaters, jetzt eine große Bank, wo ich oft meinen Vater besuchte und helfen durfte.

4. Mai. Ich treffe meine »Botschafterin der Erinnerung«, Barbara Guschelbauer. Unser Kontakt begann 2007 mit Anrufen, Briefen und E-Mails und setzte sich später mit einem persönlichen Besuch in New York fort. Sie ist ein intelligentes, sympathisches, charmantes Mädchen! Sie hat unsere Zeit in Wien verschönert, und ihre Eltern, Peter und Eva Guschelbauer, haben Jake und mich herzlich empfangen, nicht nur mit einer wunderbaren Mahlzeit und einem freundlichen Abend in ihrem Heim, sondern auch mit einem ereignisreichen Tag am Kahlenberg und in Grinzing – zwei Plätze, über die Barbara mich sprechen hörte. Meine Eltern haben oft schöne Tage mit uns dort verbracht, und die Blicke auf Wien und die Donau führten mich wieder mehr als siebzig Jahre zurück. Eine wirkliche Fahrt ins Blaue, für die ich ihnen weiter dankbar bleibe.

5. Mai. Wir sind alle im Parlament. Die Stimmung ist düster, trüb, ernst. Der Präsident des Bundesrates begrüßt uns, die Präsidentin des Nationalrates beginnt mit einem erschütternden Programm, das einzelne Namen von Kindern zeigt, die ermordet wurden. Es gibt keine trockenen Augen in diesem historischen Gebäude. Es ist für mich schwer, konnten mein Bruder
und ich konnten doch kaum aus diesem Land flüchten.

Danach gehen wir durch den Volksgarten zur Gedenkveranstaltung am Heldenplatz. Zusammen mit Tausenden Schülern werden wir von Bundespräsident, Bundeskanzler und Vizekanzler empfangen. Ihre Reden sind wichtig und bedeutend. Ich habe dauernd das Gefühl, dass alles ein Traum ist: Wir Überlebende sitzen am Heldenplatz und werden geehrt. Die jungen Schüler stehen neben uns, während Soldaten Getränke und Brötchen bringen. Und das Team von »A Letter To The Stars« ist immer bei uns. Ihre Gegenwart ist beruhigend. Das Programm endet mit Beiträgen vieler Schülern und Survivors, die schon längere Zeit zusammen gearbeitet hatten, und mit musikalischen Aufführungen von Schülergruppen. Ich fühlte mich am Ende des Tages am Heldenplatz willkommen, seelisch frei, endlich erfüllt von Hoffnung auf eine bessere Welt.

7. Mai. Mein Besuch am Rainergymnasium. Professor Anton Kroh wartet auf uns in der Lobby des Parkhotels. Er bringt mich und meinen Enkel Jake zum Rainergymnasium auf der Wieden. Ein schlanker, gutaussehender, sehr liebenswürdiger Mann. Ich bin tief in meinen Gedanken und Erinnerungen, als wir uns meiner alten Nachbarschaft nähern. Mein letzter Schultag – 1938. 70 Jahre später öffnet Prof. Kroh das (für mich) neue Glas-Tor. Er bringt uns zuerst zu Direktorin Traude Mori, dann werden wir auch Prof. Brigitte Grosse, Klassenvorstand der 8. Klasse, vorgestellt. Wie kann man die Gefühle schildern – 70 Jahre später reiche ich Direktorin Mori eine Kopie meiner Schülerausweiskarte. »Hans Altbuch, Elisabeth Gymnasium, Österreich (Wien)«, gestempelt und gültig für das Schuljahr 1937-38. Schließlich bin ich doch noch ihr Schüler! Prof. Kroh, Jake und ich steigen die hohen Stufen zur 8. Klasse hinauf. Meine Zeit mit den jungen Leuten geht furchtbar schnell vorbei. Ich verteile mehrere Schülerausweiskarten und Bilder von uns Zwillingsbrüdern und meiner Familie. Ich erzähle über unser Leben in Wien vor und nach dem Anschluss, unsere Flucht via Kindertransport nach England und unser Schicksal danach. Es gibt Fragen und Antworten. Die Schüler sind besonders aufmerksam und mitfühlend. Ein Mittagessen beendet einen denkwürdigen, unvergesslichen Tag. Unsere neuen Freundschaften werden fortgesetzt.

8. Mai. Abschied von Wien. Der Tag ist da. Die Gäste sind in ihre Gedanken vertieft. Wir dürfen mit Hilfe des Teams die Zeit vor dem Flug in der Lounge verbringen. Sie haben unser Leben geändert. Wir gehen mit neuer Hoffnung nach Hause. Die Erinnerungen bleiben mit uns.
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Diese Geschichte wurde im Projekt "Nicht zugeordnet" erstellt.

"Es war erschütternd und rührend"

Aus einem Brief von Jack Altbush an das Projektteam.

Wo fangt man an und wo hört man auf?  Wie kann man sich für so ein Ereignis bedanken?  Das Wort “Nein” wurde nicht gehört.  Vom herzlichen Empfang in Schwechat zur Abreise am 8. Mai waren wir alle betreut wie die einzigen Kinder. Mein Enkel, Jake, und ich fühlten uns wie zu heim.

Ein kurzer Bericht, der eigentlich viel länger sein muss:

Der Gala-Empfang war besonders wichtig,bei dem wir alle Mitglieder des Teams kennen lernten.  Fuer mich kam ein schönes Wiedersehen – mein Cousin Paul Samet und seine Frau Joan von London.  Es war ein wunderbarer Abend.  Nächster Tag, im Belvedere, brachte mir ganz besondere Erinnerungen.  Meine Familie wohnte sehr nahe davon und später in der Blechturmgasse, um die Ecke vom damals so genannten Elisabeth Gymnasium, jetzt das Rainergymnasium.  Nach dem Besuch des Belvedere gingen Jake und ich zur Blechturmgasse, saßen wieder in unserem Park, Draschepark, und gingen nachher entlang der Wiedner Hauptstrasse bis zum Stephansplatz.  In den folgenden Tagen waren wir mehrere Male im Schönbrunner Park und danach sogar im Schloss.  Es war prachtvoll. 

Montag, 5. Mai, war ohne Zweifel der wichtigste und für mich seelisch der schwerste Tag: die Gedenksitzung im Parlament.  Die folgende Gedenkveranstaltung am Heldenplatz war für mich und meinen Enkel unvergesslich.  Ich kann euch allen nie genug dafür danken.  Es war erschütternd und rührend.

Am Dienstag, dem 6. Mai,  waren wir Gäste der Spanischen Hofreitschule am Michaelerplatz.  Wir wurden in besonderen Empfangsräumen von Frau Elisabeth Guertler, der Direktorin der Reitschule, herzlich willkommen geheißen, bekamen Getränke, und danach saßen wir bei der Morgenarbeit der Lippizanerauf besonderen Plätzen.  Zu unserem “Vielen, vielen Dank” kam die Antwort des Personals,: “Wir waren geehrt Sie hier zu haben.”

Mittwoch war für mich ein sehr wichtiger Tag:  Professor Mag. Anton Kroh holte mich und meinen Enkel beim Hotel ab und nahm ein Taxi zum Rainergymnasium.  Nach einem  Empfang von Direktorin Traude Mori ging der geplante Besuch vor sich.  Die Schüler der 8A Klasse, und Barbara Guschelbauer, mein Ambassador of Remembrance, waren aufmerksam, freundlich, stellten interessante Fragen, und drei Schuelerinnen sangen einen Teil einer Mendelssohn-Messe.  Eine Mahlzeit bei einem nahen Gasthaus beendete meinen ersten Schultag nach siebzig Jahren.  Ihr könnt Euch vorstellen, wie ich mich an diesem Tag fühlte.

Am Abend waren wir in der Oper; Brigitte hatte natürlich das alles schon längst mit Kimberly arrangiert.  Mein Cousin und Frau trafen uns dort, und so endete unser letzter Abend in Wien.

Die Abfahrt am nächsten Morgen war, wie alles vorher, sorgfältig geplant, alles genau arrangiert, und so verbrachten wir unsere letzte Stunde in Schwechat mit Kimberly in einer bequemen Lounge.  Wir dachten nur an die Worte der meisten Ueberlebenden, die sich verabschiedeten:  “See you next year,” und das machte das Ende des besonderen Projekts von “A Letter to the Stars” ein bisserl leichter für mich.

Und jetzt danken wir Euch allen für Eure schwere Arbeit, für Eure Liebe und Aufmerksamkeit, Euer Mitgefühl mit unseren vielen Schmerzen und bitteren Gedanken von alten Zeiten, und für die Gelegenheit, eine kleine Rolle in der Zukunft der jungen Leute zu spielen.

Euer Jack Altbush

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