Die letzten Zeugen - Das Buc

FELICIA TASCHDJIAN


 
 

FELICIA
TASCHDJIAN

gemeinsam mit:

wirkte in Österreich, Wien
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Das Ehepaar, das einen Juden in ihrer Wohnung versteckt hielt

Im April 1942 konnte Valentin Skidelsky seiner Deportation entfliehen. Aram und Felicia Taschdjian boten ihm ihre Hilfe an, und versteckten den jüdischen Verfolgten die verbleibenden Kriegsjahre in ihrer Wohnung in Wien.

Der Historiker Valentin Skidelsky war gebürtiger Georgier und sollte im April 1942 aufgrund seines jüdischen Glauben deportiert werden. Skidelsky konnte fliehen und lebte als Flüchtling in Wien, als er mit Felicia Taschdjian in Kontakt kam. Deren Schwägerin hatte er schon vorher in einem armenisch-russischen Studentenverein kennengelernt.

Felicia Taschdjian und ihr Mann Aram versteckten Skidelsky in ihrer Wohnung. Einmal machte Felicia Taschdjian Skidelsky mit einem Ungarn bekannt, der Skidelsky über die Grenze nach Ungarn schmuggeln wollte. Er fühlte sich aber zu schwach für einen Fluchtversuch und lebte weiterhin versteckt bei den Taschdjians in ihrer Wohnung in Wien.

Die kleine Tochter der Taschdjian konnte für sich behalten, dass in ihrer Wohnung ein Jude versteckt wurde und so konnte sich Valentin Skidelsky bis zu Kriegsende bei der Familie Taschdjian verstecken.
Nach dem Krieg lebte Skidelsky weiterhin in Österreich, gründete eine Familie und blieb mit dem Ehepaar Taschdjian in Kontakt.

Siehe Gutman et al (2005) "Lexikon der Gerechten unter den Völkern: Deutsche und Österreicher"
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Interview mit einer Zeitzeugin

Mia Bruckner im Gespräch mit ihrer Urgroßmutter Felicia Taschdjian.

Meine Interviewpartnerin war Frau Felicia Taschdjian, eine Zeitzeugin. Sie lebte während dem zweiten Weltkrieg gemeinsam mit ihrem Mann Aram Taschdjian und ihrer Tochter Gioia in Wien Favoriten, in der Raxstraße 49. Dort versteckten sie und ihre Familie von 1942 bis Kriegsende den jüdischen Historiker Valentin Skidelsky.
Valentin Skidelsky kam 1901 in Tiflis, Georgien zur Welt und lebte als Flüchtling in Wien. Als Jude wurde er während des Nationalsozialismus zu Zwangsarbeit verpflichtet und musste auch seine Wohnung aufgeben, um gemeinsam mit vielen anderen Menschen jüdischen Glaubens in einer Unterkunft zusammenzuleben. Als er im April 1942 in ein Konzentrationslager deportiert werden sollte, gelang es Valentin Skidelsky, aus dem Deportationszug zu flüchten und Felicia Taschdjian zu kontaktieren. Frau Taschdjian und Herr Skidelsky hatten sich bereits vor dem Krieg über ihre Schwägerin kennengelernt. Die Schwägerin wiederum kannte ihn aus dem armenisch-russischen Studentenverein in Wien. Felicia Taschdjian kontaktierte einen ungarischen Bekannten, der bereit war, Skidelsky aus dem Land und  nach Ungarn zu schmuggeln. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, versteckten Felicia und Aram Taschdjian Valentin Skidelsky in ihrem Haus in der Raxstraße. Es kam schließlich doch nicht zu Skidelskys Abschied, da er sich nicht in der Lage fühlte, so eine lange, gefährliche Reise zu überstehen. Er blieb als Gast im Haus der Familie Taschdjian und sie versteckten ihn bis Kriegsende.
Frau Taschdjian erzählte auch, dass sich ihr Mann Aram zum Zeitpunkt des Anschlusses im Jahr 1938 in Paris befand. Er entschied sich zu bleiben, um von dort zu helfen. Erst als die Situation auch in Frankreich verloren schien, kehrte er nach Österreich zurück. Ein großer Risikofaktor bei dem Plan, Valentin Skidelsky zu verstecken, war auch die Befürchtung, die kleine Tochter könnte ihren Freunden davon erzählen. Sie warnten die achtjährige Gioia eindringlich, niemandem von dem Mann zu erzählen, der bei ihnen lebte. Das Mädchen behielt das Geheimnis für sich.
Erschwert wurde die damalige Situation dadurch, dass die Ausgabe von Lebensmitteln mit Hilfe von Lebensmittelkarten rationiert wurde. Nachdem Herr Skidelsky nicht über eigene Karten verfügte, teilte Frau Taschdjian Lebensmittel für zwei Erwachsene und ein Kind so ein, dass niemand zu kurz kam. Frau Taschdjian erzählte, es hätte als Ausweichmöglichkeit auch einen Lebensmittelschwarzmarkt im Resselpark gegeben, den sie aber nicht genutzt hätte, obwohl ihr Mann Aram durchaus über kaufmännisches Talent verfügt hätte.
Die Frage, ob sie denn keine Angst gehabt hätte, verneint Felicia Taschdjian mit der Begründung, dass Valentin Skidelsky blond gewesen und es dadurch ohnehin weniger aufgefallen sei. Dieser Faktor hat auch bei einem Zwischenfall eine wichtige Rolle gespielt, als der Ortsgruppenleiter in das Haus der Familie Taschdjian kam, um einer Beschwerde wegen mangelnder Verdunklung nachzugehen. Skidelsky saß zu diesem Zeitpunkt im Wohnzimmer und beschloss, aus Zeitmangel in dieser Position zu bleiben. Aus diesem Grund wurde er für einen Gast gehalten und niemand erkundigte sich nach seiner Identität, während der Dachboden und der Keller durchsucht wurden.
Auf die Frage, ob sie sich in ihrer damaligen Situation überlegt hat, Hilfe von SozialarbeiterInnen in Anspruch zu nehmen, meint Frau Taschdjian, dass sie darin keine Vorteile gesehen hätte, da weder sie, noch Valentin Skidelsky, Ansprüche auf Unterstützung gehabt hätten. Zudem sei die soziale Arbeit damals auch weitgehend dafür missbraucht worden, Menschen auszugrenzen und jüdische Mitmenschen wie Valentin Skidelsky zur Delogierung zu zwingen, um sie dann in großen Gruppen in kleinere Wohnungen zu sperren.
Frauen wie Felicia Taschdjian zeigen, dass es auch während des zweiten Weltkriegs Menschen gegeben hat, die auf ihre Art und Weise Sozialabeit wie wir sie heute verstehen, gelebt haben. Nachdem der Versuch, Skidelsky mit Hilfe ihres Netzwerkes außer Landes zu bringen, scheiterte, verschaffte sie sich einen Überblick über ihre eigenen Ressourcen und teilte diese nach ihren Möglichkeiten ein. Die Gefahr, bei einer Entdeckung selbst in ein Konzentrationslager deportiert zu werden und möglicherweise zu sterben, nahm Frau Taschdjian in Kauf, um ein Menschenleben zu schützen. Sie erhielt keine Bezahlung und teilte in einer Zeit der Rationierungen Kleidung und Lebensmittel. Ihre Zivilcourage und ihre Motivation waren ausschließlich humanitären Ursprungs.
Nach Kriegsende blieb Valentin Skidelsky in Österreich, heiratete und hatte drei Kinder. Er blieb mit seinen Rettern in freundschaftlichem Kontakt, bis er 1980 verstarb. Felicia und Aram Taschdjian wurde im Jahr 1992 von Yad Vashem die Auszeichnung „Gerechte unter den Völkern“ verliehen.

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